In der kleinen Stadt Testour kann man ein luxuriös ausgestattetes Haus besichtigen, das nach der berühmten tunesischen Sängerin als das „Haus von Habiba Msika“ bekannt wurde. Tatsächlich aber hat der Star der 1920er Jahre niemals einen Fuß in dieses Haus gesetzt …
Mit seinem eleganten Patio, seinen schlanken Säulen und glänzenden Wandfliesen ist das « Haus von Habiba Msika » ein außergewöhnliches Baudenkmal für die im 17. Jahrhundert von den aus Spanien vertriebenen Muslimen errichtete landwirtschaftliche Gemeinde Testour, 80 km westlich von
Tunis.
Das Haus erinnert an das tragische Schicksal des ersten „Stars“ von Tunis.
Die aus einer jüdischen Familie stammende Habiba Msika beginnt sich schon in jungen Jahren für die Musik zu interessieren. Dabei wendet sie sich hauptsächlich der leichten Muse zu. Sie begeistert ihr Publikum mit ihrer charmanten Stimme, den humoristischen Liedern und ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit.
Auf der Bühne erscheint sie in exzentrischen und provokanten Kostümen… Rasch wird sie zu einem Star, ja man könnte sagen, zu einem Sex-Symbol ihrer Zeit.
Dabei wollte Habiba Msika weniger eine Musikerin als vielmehr eine große Theaterschauspielerin werden.
In der Theatertruppe von Mohamed Bourguiba, dem ältesten Bruder des Vaters der Unabhängigkeit macht sie ihr Debüt als Schauspielerin. Sie spielt in Stücken von Shakespeare, Molière, Victor Hugo…
In all dieses Stücken übernimmt sie oft die männlichen Rollen und schockiert damit immer wieder die Zuschauer, zum Beispiel als sie die Rolle des Propheten Joseph übernimmt oder als Romeo auf der Bühne Julia küsste …
Mit den Bourguiba-Brüdern verband sie ihre nationalistische Gesinnung. So wurde sie eines Abends sogar von den Kolonialbehörden verhaftet, nachdem sie auf der Bühne Unabhängigkeitsparolen skandiert und eine tunesische Fahne entrollt hatte.
Zu den Bewunderern von Habiba Msika zähle eine Gruppe von jungen Männern aus gutem Hause. Sie nannten sich die „Soldaten der Nacht“ (asker ellil) und präsentierten sich als ihre Beschützer – denn die Darbietungen von Habiba Msika führten oft zum Skandal und brachten die Künstlerin immer wieder in Gefahr.
Zu ihre Fans zählte zu ihrem großen Unglück auch ein älterer Herr aus Testour, mit Namen Liahou Meimouni.
Dieser reiche Mann gefiel sich in der Rolle des Mäzens von Habiba Msika und finanzierte großzügig ihre internationalen Tourneen und Plattenaufnahmen.
Aber diese Großzügigkeit war nicht ganz selbstlos. Liahou Meimouni war fest davon überzeugt, dass die Künstlerin bereit wäre ihn zu heiraten und ging sogar soweit, ihr in seiner Heimatstadt ein kleines Palais zu erbauen … das Haus, das heute den Namen von Habiba Msika trägt.
Dabei trug sich der Star niemals mit der Absicht in diesem Haus zu wohnen. Eines Tages verstand der alte Herr, dass sie ihn nicht heiraten wollte und entschloss sich sie zu töten, indem er ihre Wohnung in Brand steckte.
Somit endete die Karriere von Habiba Msika im Alter von kaum 27 Jahren am 21. Februar 1930 auf tragische Weise.
Als Opfer der Leidenschaften, die sie zu entfachen wusste, als Opfer der besitzergreifenden Eifersucht eines alten Manns, wurde Habiba Msika ein wahrer Mythos dieser turbulenten Jahre.
Besucht man Testour, so kommt man beim Besuch dieses eigenartigen Hauses nicht umhin an die Künstlerin zu denken. Heute beherbergt das Gebäude ein Kulturzentrum, in dem Kindern die Möglichkeit geboten wird, erste Erfahrungen mit der Musik zu machen.
Buchtipp: „Les Valeureuses : cinq Tunisiennes dans l’histoire » von Sophie Bessis, Editions Elyzad
Habiba Msika zum Mithören: „Habibi lawel“